Das weiße Dorf (Theater Drachengasse) - Februar 2022

Ivan und Ruth treffen einander zufällig auf einem Amazonas-Kreuzfahrtschiff. Man kennt sich, aber die Beziehung ist längst vorbei, andere PartnerInnen sind mit an Bord - "Das weiße Dorf" ist ein intensives Kammerspiel, das uns allen den Spiegel vorhält.

 

 

Ruth und Ivan (sehr gut: Naemi Latzer und Johannes Benecke) repräsentieren den saturierten, dekadenten reichen Norden der Welt und klopfen einander gegenseitig auf die Schulter: man hat es geschafft, man hat Karriere gemacht, gute Entscheidungen getroffen. Eine Amazonas-Kreuzfahrt kann sich schließlich nicht jeder leisten. Wie einst ethnozentrische SozialanthropologInnen, mit Tropenhelm und Glasperlen im Gepäck, blicken die beiden auf die am Ufer vorbeiziehenden Dörfer des globalen Südens: verdreckt seien die Dörfer, eines wie das andere, überall Wellblech-Dächer, die Indigenen säßen nur herum - sie könnten doch wenigstens den Müll wegräumen, oder? *lol*

 

Fast alles egal...

 

Fährt man nach Thailand oder nach Brasilien? Egal. Genauso oberflächlich-zynisch wie ihr Blick auf die Welt und belanglos wie die Kreuzfahrt ist auch der Blick auf ihre Beziehungen: soll man sich überhaupt annähern? Ist nicht auch das zu mühsam, angesichts der eigenen Saturiertheit? Was bleibt, ist eine unerfüllte Sehnsucht.
 

Gegen Oberflächlichkeit

 

Die Dialoge fliessen in Teresa Doplers mit dem AutorInnenpreis beim Heidelberger Stückemarkt 2019 ausgezeichnetem Stück dahin wie der Amazonas und halten dem für selbstverständlich genommenen Leben im Luxus der westlichen Welt und damit uns allen den Spiegel vor.

Es ist ein intensives Kammerspiel, das aber positiv gedeutet aussagt: es ist ein Blick auf die Welt und auf andere Menschen mit wirklichem Interesse möglich; und man kann das eigene Verhalten auch ändern und muss nicht in der Oberflächlichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen hängen bleiben. (jm, Foto: Andreas Friess)

 

>> http://www.drachengasse.at

"Das weiße Dorf" (noch bis 5. Februar 2022)