3 Fragen an Diwan

Reza Algül ist der Bandleader der Gruppe Diwan, ein Gespräch über die CD „Die vergessenen Gedichte. Alevitische Lyrik und Musik“ (Lindo Rec./Hoanzl).

 

 

 

 

 

Eure CD heißt „Die vergessenen Gedichte. Alevitische Lyrik und Musik“. Welche Gedichte sind darauf enthalten?
Reza: Insgesamt zehn Werke sind auf diesem Album der Band DİWAN zu hören. Eines davon ist instrumental: "Night Journey – Die Nachtreise". Eines sind die anonym komponierten Werke (Gedichte) von ImadaddinNesimi (15. Jh.) und eines von Pir Sultan Abdal (16. Jh.). Imadadin Nasimi und Pir Sultan Abdal wurden von den Osmanen ermordet und ihren Gedichten – wie viele andere – verboten. Die anderen sieben Werke sind die Werke, die ich aus Yunus Emre komponiert und ins Deutsche übersetzt habe.
Die Gruppe DIWAN hat diese verbotenen Gedichte aus Persien und der Türkei wieder ins Leben gerufen: Diesen Gedichten wurden aus dem Persischen und Türkischen ins Deutsche übersetzt, vertont beziehungsweise komponiert. Seit Jahren lesen und spielen wir als Gruppe DIWAN diese Gedichte in unseren Veranstaltungen und Konzerten. Einige Beispiele: „Wir hegen zu niemanden Hass“. Bedeutet: Die alevitische Philosophie betrachtet alle Menschen auf der Erde – ob Mann oder Frau ist – mit Gleichberechtigung und Liebe, ohne zwischen Mann und Frau zu unterscheiden.
„Wen geht’s an?“: Der Mensch soll frei leben, ohne anderen zu schaden. Ohne Freiheit gibt es kein menschliches Leben
„Frag mich, wo ich war und woher ich komme“: Yunus Emre sagt in diesem Gedicht, dass der Mensch ein kleiner Teil des Universums ist.
„Fragen an Gott und das Verhör Gottes“: Gott sagt, dass er „den Menschen geschaffen und sein Schicksal bestimmt hat“. Yunus Emre rebelliert gegen die von Gott geschaffene arm und reich, Kriege.
„Die Liebe ist unser Glaube“ „Ich bin der Krämer der Liebe“

 

Was ist das Besondere an der Lyrik von Yunus Emre?
Reza: Yunus Emre ist der wichtigste Dichter-Philosoph der Aleviten. Er ist der radikalste Kritiker gegen Religion und Gott-Allah im 13. Jahrhundert, in Anatolien. Sein Name wandert seit Jahrhunderten von Kultur zu Kultur, von Land zu Land. Außer den religiösen Klerikern hat ihn niemand negativ beurteilt. Außerhalb der Länder unter islamischer Herrschaft wurden seine Gedichte in viele Sprachen übersetzt. In Wahrheit ist Yunus der kompromisslose alevitische Dichter-Philosoph. Er stellt alles infrage und nimmt ins Verhör, was „göttlich“ bzw. „übernatürlich“ ist: Allah-Gott, Religion, heilige Bücher, Jenseits – Paradies, Hölle – Schicksal usw. Manchmal ganz offen und stark, manchmal ironisch. In meinem Buch in Deutsch, „Der Alevismus: Eine Lehre, die Gott ins Verhör nimmt“, findet man dafür genügende Analyse.
Yunus Emre sagte: „Mein Allah-Gott ist der Mensch, die anderen brauche ich nicht!“
„Meine Religion ist die Liebe, die anderen brauche ich nicht!“
„Meine Kaaba ist das Herz der Menschen, die anderen brauche ich nicht!“
„Meine Welt ist diese Welt, die andere gibt es nicht!“

 

In welche Tradition ist eure Musik zu stellen?
Reza: Unsere Instrumente, die wir in unserer Band-Diwan spielen, spiegeln die Eigenheiten und Farben unserer Musik wider: Saz oder Baglama aus Anatolien, Kemantsche, Ney und Daf aus dem Iran, Saxafon aus Österreich oder dem Westen. Beim Komponieren dieser „vergessenen Gedichte“ habe ich von Anfang an besonders auf die melodischen Töne und Rhythmen geachtet, um sie an die Rhythmen der Aleviten anzupassen. Denn alevitische Musik wird in Cem-Zeremonien und Sama (Tanz) der Zoroastrier im Iran, der Aleviten in Anatolien und der Bektashiten auf dem Balkan gespielt und gesungen.
Um die Musik, die wir machen, als Ganzes zu definieren: Sie umfasst den Jazzelemente mit den Farben der Geographie, die sich vom Iran bis in den Westen erstreckt. Deshalb findet sich jedes Publikum und jeder Zuhörerin und Zuhörer in unserer Musik wieder. Das Ziel unserer Art Musik ist, die Aleviten und die Welt zu vereinen. (jm)

 

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